Zum Hauptinhalt springen

VRI - Kartellrechtliche Hinweise

Einleitung

Der Verband der Reibbelagindustrie e.V. (VRI) vertritt rund 20 Mitgliedsunternehmen. Verbandszweck ist der Schutz und die Förderung der allgemeinen, idealen und geschäftlichen Interessen der Reibbelagindustrie. Die Ziele des VRI sind die Förderung der technischen Zusammenarbeit zwischen Reibbelag-Herstellern auf nationaler und internationaler Ebene sowie die Gewährleistung der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit durch die Erstellung von Sicherheitskriterien, Qualitätsstandards und Nachhaltigkeit auf höchstem technischem Niveau. Dabei bekennt sich der VRI allgemein zu rechtmäßigem Handeln und richtet seine Verbandsarbeit strikt an der Vereinbarkeit mit deutschem und EU-Kartellrecht aus. 

Der VRI setzt sich für eine gesetzeskonforme Praxis ein und organisiert seine Verbandsarbeit unter strikter Beachtung des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts. Diese Hinweise enthalten wettbewerbsrechtliche Informationen für Gremien, Mitglieder und Mitarbeiter des VRI. Die Beachtung der Hinweise soll im Interesse des VRI und seiner Mitglieder sicherstellen, dass mögliche Verstöße gegen Wettbewerbsrecht bei allen Verbandsaktivitäten vermieden werden.

Diese Richtlinien sollen den Mitgliedern und Mitarbeitern des VRI Klarheit und einen verlässlichen Orientierungspunkt bieten. Dazu gehören u. a. Regelungen zu zulässigen und zu unzulässigen Themen bei Verbandsversammlungen, zu Marktinformationssystemen, zu Verbandsempfehlungen und zur Durchführung von Verbandsversammlungen. Diese Richtlinien sind für alle am VRI Beteiligten verbindlich und dienen dem Schutz des Verbandes und seiner Mitglieder.

1. Vorbemerkung zum allgemeinen Kartellverbot

Das Kartellrecht soll sämtliche Formen wettbewerbsbeschränkender Praktiken konkurrierender Unternehmen bekämpfen. In Deutschland sind wettbewerbswidrige Verhaltensweisen nach § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verboten. 

Das GWB verbietet alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die auf die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs abzielen oder dazu führen. 

Das europäische Verbot wettbewerbsbeschränkender Praktiken gilt dann, wenn die in § 1 GWB genannten Praktiken den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind (Art. 101 Abs.1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken.

Das Kartellrecht verbietet unter anderem Vereinbarungen von Unternehmen die Preise, Geschäftsbedingungen usw. festlegen; Vereinbarungen in diesem Sinne sind nicht auf ausdrückliche, insbesondere nicht auf schriftliche Erklärungen beschränkt. Eine Vereinbarung kann auch durch die Handlungen der Parteien impliziert werden. Das Kartellrecht verbietet aber nicht nur Vereinbarungen, sondern auch konzertierte Aktionen von Unternehmen, die zu ähnlichen Ergebnissen führen. 

Das Kartellrecht ist ein weites und komplexes Gebiet, das mit diesen Hinweisen nicht vollständig behandelt und abgedeckt werden kann. Eine umfassendere rechtliche Beurteilung ist in der Regel für vertiefte Anfragen erforderlich.

2. Themen und Organisation von Verbandssitzungen

Verbandssitzungen dienen zwar vorrangig der Erörterung politischer Themen; gleichwohl findet das Kartellrecht auf die Verbandsarbeit uneingeschränkt Anwendung. Bestimmte Themen können aus kartellrechtlicher Sicht dann kritisch sein, wenn sie wettbewerblich relevante Daten betreffen. Wettbewerbliche Relevanz ist gegeben, wenn der gegenseitige Austausch entsprechender Informationen, deren einseitige Offenlegung oder Diskussionen der Verbandsmitglieder hierüber die Unsicherheit über das gegenwärtige oder künftige Marktverhalten der Wettbewerber verringert oder aufhebt und damit den sogenannten (geschützten) Geheimwettbewerb (z.B. bei Ausschreibungen) verletzt. Die nachfolgende Übersicht über zulässige bzw. unzulässige Themen gilt neben der eigentlichen Verbandssitzung auch für Pausen, für Rahmenveranstaltungen und für die zugehörige Korrespondenz.


a) Zulässige Themen bei Verbandssitzungen

Bei Verbandsversammlungen können sich Unternehmen grundsätzlich über den Themenbereich der Versammlung austauschen. Dies schließt ein:

  • Aktuelle Gesetzesvorhaben und deren Folgen für die Gesamtheit der Mitglieds-unternehmen;
  • Politisches Umfeld, allgemeine technische/wissenschaftliche Entwicklungen, Regulierungsmaßnahmen von allgemeinem Interesse;
  • Aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen und allgemeine Wirtschaftsdaten sowie allgemeine Entwicklungen in der Industrie (sofern öffentlich bekannt);
  • In den meisten Fällen Informationen über die Geschäftsprognose für das Gesamtunter-nehmen, für das gesamte Produktportfolio oder für andere Geschäftsfeldgruppen, die keine Hinweise auf die Marktposition und Entwicklungen einzelner Produkte geben;
  • Diskussionen über VRI-Lobbying-Aktivitäten;
  • Benchmarking-Aktivitäten, sofern Daten auf dem Markt frei verfügbar sind und sich nicht auf einzelne Produkte oder Marktverhalten von Verbandsunternehmen beziehen; 
  • Unternehmensbezogene Benchmarking-Aktivitäten, soweit (im Regelfall) mindestens fünf Unternehmen beteiligt sind; ein neutraler Dritter den Benchmark durchführt und das Ergebnis anonymisiert und aggregiert an die Beteiligten zurückspielt; keine Re-Individualisierung im Rahmen der Verbandssitzung ermöglicht wird; kein Bezug zu einzelnen Produkten und Marktverhalten besteht (nur bspw. zu internen Prozessen oder Umweltstandards);
  • Allgemeine Branchenanalyse;
  • Den allgemeinen Austausch von frei zugänglichen Informationen und Daten (z.B. vom KBA, aus dem Internet oder aus bereits veröffentlichten Geschäftsberichten der Mitgliedsunternehmen);
  • Ausarbeitung eines Branchenüberblicks (soweit die Aggregierung von Daten der einzelnen Mitgliedsunternehmen über VRI oder einen sonstigen neutralen Dritten erfolgt).


b) Unzulässige Themen einer Verbandssitzung

Bei Verbandsversammlungen dürfen Unternehmen keine Informationen über Angelegenheiten austauschen, die gegen das Kartellrecht oder gegen Vorschriften über den nicht offenbarten Wettbewerb verstoßen (z.B. bei Ausschreibungen) oder unternehmensinterne Informationen, Daten und Geschäftsgeheimnisse betreffen. Dazu gehören unter anderem:

  • Informationen oder Vereinbarungen über Preise, Preiskomponenten, Rabatte, Preisstrategien, Preiskalkulationen oder geplante Preisänderungen; 
  • Liefer- oder Zahlungsbedingungen bei Verträgen mit Dritten;
  • Informationen über Geschäftsstrategien oder Marktverhalten („Signaling“);
  • Informationen über Gewinne, Gewinnspannen, Marktanteile oder geplante Investitionen, die nicht öffentlich zugänglich sind, selbst wenn diese keine Rückschlüsse auf die Marktstellung einzelner Produkte zulassen;
  • Informationen zu internen und nicht öffentlich bekannten Forschungs- und Entwicklungsprojekten;
  • Informationen, die eine Koordinierung gegenüber der Marktgegenseite (Kunden, Lieferanten, nicht im Verband organisierte Wettbewerber) ermöglichen, insbesondere im Zusammenhang mit Angeboten gegenüber Dritten (z.B. wird überhaupt an Ausschreibung teilgenommen, für welche Lose, Stärke des Interesses am Gewinn der Ausschreibung);
  • Aufteilung von Märkten oder Bezugsquellen in räumlicher und personeller Hinsicht sowie ausdrückliches oder stillschweigendes Einvernehmen über Boykotte und Liefer- oder Bezugssperren gegen bestimmte Unternehmen;
  • konkrete Forderungen von Kunden oder Lieferanten einschließlich der eigenen Reaktion hierauf bzw. der Reaktion der Wettbewerber;
  • Verifikation der von Kunden oder Lieferanten erhaltenen Informationen;
  • gemeinsame Diskussion und Analyse von nach Ziffer 3 zulässigen Statistiken, insbesondere keine Auflösung der Aggregierung.


c) Vorbereitung und Durchführung der Verbandssitzungen

In Absprache mit dem Sitzungsleiter versenden die Mitarbeiter des VRI rechtzeitig offizielle Einladungen zu allen Sitzungen. Der Einladung ist eine möglichst detaillierte Tagesordnung beizufügen. Die Mitarbeiter des VRI unterstützen den Sitzungsleiter dabei, dass die Tagesordnung und andere Dokumente für die Sitzung klar und verständlich formuliert sind und keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfen. Im Zweifelsfall wird die VRI-Geschäftsführung Klarheit schaffen oder Änderungen vornehmen. Mindestens ein Mitarbeiter des VRI sollte bei jeder VRI-Verbandssitzung anwesend sein, um den Sitzungsleiter zu unterstützen. Der Sitzungsleiter achtet darauf, dass die Sitzung nach ordnungsgemäßem Verfahren (Tagesordnung und Protokoll) durchgeführt wird.

Zu Beginn der Sitzung weist der Sitzungsleiter die Teilnehmer auf die Einhaltung der kartellrechtlichen Vorgaben hin. Bei regelmäßigen Besprechungen mit denselben Teilnehmern ist dies in angemessenen Zeitabständen und nicht bei jeder Besprechung zu tun. Der Sitzungsleiter greift in Verfahren und Diskussionen ein, um Verstöße gegen das Kartellrecht zu verhindern.

Wollen die Teilnehmer von der Tagesordnung abweichen, so führt der Sitzungsleiter eine förmliche Abstimmung über die Änderung durch, und der Beschluss wird protokolliert.

Die Teilnehmer einer Sitzung sollten gegen neue Tagesordnungspunkte Einspruch erheben, die ihrer Meinung nach nicht mit dem Kartellrecht vereinbar sind oder die nicht in einem formellen Beschluss gefasst wurden. Sie sollten verlangen, dass die Abweichung von der Tagesordnung und ihre Einwände in das Protokoll aufgenommen werden. Der Sitzungsleiter prüft die Einwände und weist die betreffenden Punkte gegebenenfalls zurück.


d) Protokolle von Verbandssitzungen

Die VRI-Mitarbeiter unterstützen den Sitzungsleiter darin, dass korrekte und vollständige Protokolle von Verbandssitzungen einschließlich der dort gefassten Beschlüsse erstellt werden. Die Sitzungsteilnehmer sollten Widerspruch einlegen, wenn ihnen auffällt, dass kein Protokoll mitgeschrieben wird.

Die VRI-Mitarbeiter wirken darauf hin, dass die Formulierungen des Protokolls eindeutig und klar verständlich sind. Die Protokolle von Verbandssitzungen werden zeitnah an alle Teilnehmer verschickt.

Die Sitzungsteilnehmer prüfen die Protokolle nach Erhalt auf die korrekte Wiedergabe des wesentlichen Verlaufs der Sitzung und ihrer Beschlüsse. Sie weisen den VRI unverzüglich auf eine unvollständige oder falsche Protokollierung, insbesondere zu kartellrechtlich relevanten Themen hin und fordern eine Korrektur.


e) Verhalten in Verbandssitzungen

Der Sitzungsleiter stellt mit Unterstützung durch den VRI-Mitarbeiter sicher, dass es in der Verbandssitzung nicht zu unzulässigen Beschlüssen, Absprachen, Gesprächen, spontanen Äußerungen oder zu einem unzulässigen Austausch bzw. einer unzulässigen Offenlegung von Informationen zu kartellrechtlich relevanten Themen kommt. Der Sitzungsleiter weist Sitzungsteilnehmer, die sich nicht kartellrechtskonform verhalten, unverzüglich darauf hin und sollte weitere, kartellrechtlich bedenkliche Ausführungen eines oder mehrerer Sitzungsmitglieder unterbinden. Ein fortdauernder Verstoß bzw. ein Zuwiderhandeln sollte im Protokoll festgehalten werden. Der Sitzungsleiter sollte die Diskussion oder notfalls die gesamte Sitzung abbrechen oder vertagen, soweit eine rechtliche Klärung erforderlich erscheint. 

Die Sitzungsteilnehmer sollten selbst den Abbruch oder die Vertagung einer Diskussion oder Sitzung fordern, sofern sie Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit haben. Diese Forderung muss protokolliert werden. Sitzungsteilnehmer sollten bei Fortsetzung einer kartellrechtlich bedenklichen Diskussion die Sitzung verlassen. Das Verlassen eines Sitzungsteilnehmers ist mit Namen und Zeitangabe zu protokollieren. 

3. Marktinformationsverfahren / Verbandsstatistiken

Marktinformationsverfahren sind organisierte Datensammlungen, die Informationen z.B. in der Form von Verbandsstatistiken etwa über Fahrzeugzulassungen darstellen. Solche Marktinformationsverfahren und sonstige Statistiken sind nur zulässig, wenn sie einem legitimen Zweck dienen (z.B. der Analyse von Branchentrends) und offiziell über den Verband oder eine andere neutrale Stelle geführt werden, der bzw. die nur anonymisierte und nicht-identifizierbare aggregierte Gesamtdaten veröffentlicht. Der VRI trägt dafür Sorge, dass die von ihm geführten Marktinformationsverfahren den rechtlichen Vorgaben entsprechen, insbesondere (auch mit Blick auf die jeweilige Marktstruktur sowie den Melderhythmus) nicht zu einer künstlich erhöhten Markttransparenz führen und (im Regelfall) mindestens fünf Unternehmen je Meldekategorie einbezogen sind. Unternehmensbezogene Daten dürfen im Rahmen von Marktinformationsverfahren von den jeweiligen Unternehmen nur in den dafür vorgesehenen Verfahren an den VRI übermittelt werden, nicht jedoch in Verbandssitzungen. 

4. Positionspapiere und Pressemitteilungen des VDA

Der VRI stellt sicher, dass seine Positionspapiere und Pressemitteilungen keine Formulierungen beinhalten, die gewollt oder ungewollt auf Absprachen, gleichförmiges Verhalten oder entsprechende Empfehlungen des VRI hindeuten. Zulässig sind Formulierungen, die die Marktlage und Marktentwicklung objektiv wiedergeben und alle sinnvollerweise in Betracht kommenden Reaktionsmöglichkeiten darstellen, ohne einseitig eine bestimmte Reaktionsmöglichkeit zu bevorzugen.

5. Verbandsempfehlungen

Der VRI erarbeitet in speziellen Fachgremien Verbandsempfehlungen, u.a. technische Normen und Standards (z.B. im Rahmen des DIN). Der VRI prüft die rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Empfehlungen. Die Erarbeitung der Bedingungen, Normen und Standards erfolgt in einem offenen, transparenten und nicht-diskriminierenden Verfahren. Der VRI stellt diese Empfehlungen seinen Mitgliedsunternehmen unverbindlich zur freiwilligen Anwendung zur Verfügung. Der VRI gibt ausdrücklich keine Empfehlungen, weder direkt oder indirekt, für ein bestimmtes Marktverhalten seiner Mitgliedsunternehmen heraus.

6. Selbstverpflichtungserklärungen

Der VRI darf in bestimmten Bereichen Selbstverpflichtungserklärungen der Mitgliedsunternehmen entwickeln, soweit

  • dies der Erreichung eines anzuerkennenden Zieles dient (z.B. im Umwelt- und Verbraucherschutz);
  • die Verbraucher wesentlichen Anteil an den daraus zu erwartenden Gewinnen haben;
  • die Selbstverpflichtungserklärung der wirtschaftlich günstigste Weg zur Zielerreichung ist;
  • die Erklärung für Dritte offen ist;
  • die Handlungsfreiheit der Beteiligten nicht unangemessen eingeschränkt wird;
  • der Marktzugang potenzieller Wettbewerber nicht erschwert wird; und
  • keine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs durch abgestimmtes Verhalten bewirkt wird.

7. Aufnahme und Ablehnung neuer Mitglieder

Der VRI ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung über neue Mitglieder. Der VRI hat die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in seiner Satzung detailliert geregelt. Der VRI wird einen bestehenden kartellrechtlichen Aufnahmeanspruch eines Unternehmens, das Mitglied des VRI werden will, respektieren. Der VRI darf beitrittswilligen Unternehmen, die die satzungsgemäßen Aufnahmekriterien nicht erfüllen, die Aufnahme in den VRI verweigern. Die Aufnahmeverweigerung darf jedoch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem es ein anderes, vergleichbares Unternehmen trotz Nichterfüllung der Aufnahmekriterien aufnimmt.

8. Weitere Informationen / Rechtliche Beratung

Der VRI steht allen Mitarbeitern und Mitgliedern der VRI-Gremien für Rückfragen zu diesen Hinweisen zur Verfügung. Rechtliche Beratung sollte zudem in allen aufkommenden Zweifelsfällen über die Zulässigkeit einer Vorgehensweise oder eines Themas, die vor oder während einer Verbandssitzung aufkommen, zu Rate gezogen werden. Der VRI ist in jedem Fall über festgestellte oder vermutete Verstöße unverzüglich zu informieren.

 

VRI, 01. März 2020, korrigierte Fassung